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Folsäure bei Kinderwunsch und Schwangerschaft - aktuell

Mit der täglichen Einnahme von 400 Mikrogramm Folsäure soll mindestens vier Wochen vor Eintritt der Schwangerschaft begonnen werden.

Das wasserlösliche Vitamin B 9 (Folsäure) kommt in Form verschiedener PteroylpolygIutamate in zahlreichen Nahrungsmitteln vor, ist instabil gegenüber Hitze und Licht und zu ca. 50 % bioverfügbar. Dennoch ist eine gute Folatversorgung im Allgemeinen durch eine ausgewogene Ernährung erreichbar. Die synthetische Folsäure ist stabiler und wird enteral [über den Magen-Darm-Trakt] zu 80-100 % resorbiert. Das Vitamin ist für [die] DNA- und RNA-Synthese notwendig und daher für alle Zellteilungsvorgänge essenziell. Außerdem spielt es eine zentrale Rolle im Abbau des gefäßschädlichen Homocysteins.

Dadurch beugt eine gute Folatversorgung Störungen der Blutbildung und der Schleimhäute vor und verzögert die Hautalterung. Sie verbessert außerdem die Fertilität [Fruchtbarkeit] bei Frauen und Männern und vermindert das Risiko für manche Malignome, möglicherweise auch für Herzkreislauferkrankungen. Auf psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Erwachsenenalter (Autismus und Depression) konnten positive Effekte nachgewiesen werden.

Die stärksten Effekte sind jedoch durch eine Verbesserung der Folatversorgung im gesamten ersten Trimenon der Schwangerschaft zu erzielen. Mit der täglichen Supplementierung von 400 Mikrogramm Folsäure muss aber mindestens vier Wochen vor der Schwangerschaft begonnen werden. Das ist jedoch aus verschiedenen Gründen nur bei weniger als der Hälfte der Schwangerschaften erreichbar. Um praktisch alle schwangeren Frauen optimal zu versorgen, ist eine Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Folsäure notwendig, machbar und in vielen Ländern der Welt erfolgreich. Dies führt zu einer Verminderung von Neuralrohrdefekten um 50-75 %, von angeborenen Herzfehlern um ca. 50 % und von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten um einen geringeren Prozentsatz. Zusätzlich kommt es zu einer Verminderung von Fehl- und Frühgeburten, Untergewicht bei Geburt sowie von Entwicklungsstörungen.

Da eine Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Folsäure bei uns politisch zurzeit nicht durchsetzbar ist, kommt allen Beschäftigten im Gesundheitswesen bei der Beratung von Frauen im gebärfähigen Alter die wichtige Aufgabe zu, über die perikonzeptionelle [= Zeit um die Empfängnis] Supplementierung zu beraten. Dazu erscheint es notwendig, schon bei Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen zur Kontrazeption immer wieder darauf hinzuweisen, dass spätestens bei, besser aber schon vor Absetzen kontrazeptiver Maßnahmen wegen Kinderwunsch eine Supplementierung mit Folsäure sinnvoll und notwendig ist, um die Chancen für ein gesundes Kind zu erhöhen.

(zitiert nach Lawrenz, B.: Die Bedeutung von Vitamin B 9 (Folat = Folsäure) für die Gesundheit. GYNE 4/2021, 34) [eckige Klammern und Hervorhebungen im Text ergänzt von Prof. Kirschbaum]